Die
Fensterrose
Rosetten (franz. »Röschen«)
gelten als eines der ältesten, weitverbreitetsten und häufigsten ornamentalen flächigen bzw.
plastischen Schmuckelemente mit symbolischem Hintergrund. Sie sind meist als mehr oder weniger stilisierte Blüte (Sternblume u. a., Rose erst spät) mit strahlenförmig um einen Kreis angeordneten Blütenblättern
ausgeführt.
Die Fensterrose (Rosenfenster,
Rose) ist ein kreisförmiges, mit Maßwerk gefülltes und mit farbigen Glasmalereien geschmücktes Fenster, wie es
besonders über Portalen und in Querschiffgiebeln in spätromanischer und
gotischer Zeit kennzeichnend war. Das Maßwerk verläuft meist strahlenförmig, vom Kreiszentrum aus als mehr oder weniger reich durch Binnenformen gegliederte »Arkaden« oder Lanzetten, die allseitig nach außen zum Kreisrand führen. Es gibt aber auch
konzentrisch gegliederte Fensterrosen. Die Binnengliederung kann aus Stein, Holz oder Metall
sein.
In Frankreich bildete sich die
Fensterrose als Bauglied der Hochromanik aus, erlangte überregionale Bedeutung jedoch erst mit der
Gotik. Sie erweist, nicht zuletzt durch die Vervollkommnung ihrer Bildungen, die hohe
handwerklich - technische Leistungsfähigkeit der gotischen Bauhütten..
Die Fülle des erhaltenen Materials lässt als Schwerpunkte neben den Kathedralen aber auch Ordenskirchen (Zisterzienser) und große Pfarrkirchen erkennen. Die älteste
erhaltene Fensterrose in Frankreich befindet sich am Nord-Querhaus von St.-Étienne in Beauvais (um 1130-40). |
Zur Formenvielfalt der Anfänge im 12. Jh. zählen: Arkadenfenster (mit Rund- oder Kleeblattbogen),
Speichenfenster (aus konzentrisch angeordneten Vielpässen), Lochscheiben- Fenster,
Fensterrosen mit einfachem oder verdoppeltem Kreisbogen (letztere besonders häufig in der Ile-de France,
Vielpass-Fensterrosen.)
Die Fensterrosen aus Arkadenfolgen breiteten sich mit der Entwicklung der Gotik immer mehr aus
(Chartres-West, um 1200, Süd-Querhaus, um 1220, mit Kleeblattbogen; Kreis mit
Zwölfpass am Nord-Querhaus von St.-Denis). Eine der entscheidenden Neuerungen wurde der Übergang zur spitzbogigen Arkade und mit ihr zum Lanzettfenster (bes. 2. Drittel 13. Jh.) und zu zunehmend komplizierten Konfigurationen
(Nord-Querhaus Paris, Notre-Dame, 1245-59). Sich überschneidende Bogen, zweizonige Unterteilungen, kurvierte Umrisse der Lanzetten,
asymmetrische Lanzetten werden häufig, ebenso der Wechsel von zentripedalen oder zentrifugalen Anordnungen, bis zu den vielfältigen Fischblasenmustern der Flamboyant-Rosen bis ins 15./16. Jh. Auch Stern-Muster sind jetzt anzutreffen. Gleichzeitig mit der Formenentfaltung an der Großarchitektur erfolgt die Übernahme in die Kleinarchitektur (Baldachine u.a.).
In Italien traten Arkaden - Fensterrosen seit dem 2. Drittel des 12. Jh. auf, das Zentrum ist zunächst Mittelitalien. Im 13./14. Jh. werden Kleeblattbogen häufiger. In Deutschland erscheinen
Fensterrosen ab der Mitte des 12. Jh., um 1200 werden sie zahlreicher.
Ab der Mitte des 13. Jh. setzt sich auch in Deutschland die Lanzettform durch (Osnabrück,
West-Fassade, nach 1305; Erfurt, Severikirche). Blendrosen sind besonders häufig in der Backsteinarchitektur.
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Die Symbolik der Fensterrosen ist vielfältig. Augenfällig für eine
ikonologische Deutung ist der häufigste Platz der Fensterrosen: in der Mitte der Fassade, über den Portalen
besonders der Kathedralen, als ein gewaltiges Radfenster, das nach Innen und Außen wirkte, zumal es nicht am
gotischen Vertikalismus teil hat, zwar diesem eingeordnet ist, ihn jedoch bedeutungsvoll unterbricht. Dazu kommt die Rolle der Lichtvermittlung durch
Fensterrosen, deren Lichtfülle nach Innen wirkt, wodurch unter Umständen das
kosmologisch »Sonnenbildhafte« von Fensterrosen besonders hervorgehoben wird, als
kosmologisch-göttliche Lichtsymbolik, wie sie durch Bibeltexte vorgegeben war und durch die Lichtmetaphysik im 12. Jh. aktiviert worden ist (Abt Suger von St.-Denis in Nachfolge des Pseudo- Dionysius u.a. Autoren).
Jedoch sind die konkreten Bezüge von Fensterrosen mit unterschiedlichen »Bilderkreisen« verbunden. Im 12. und noch 13. Jh. spielt der Vorstellungskreis des »Glücksrades« eine größere Rolle, wobei in St.-Étienne in Beauvais
(Nord-Querhaus), der apokalyptische Christus auf der Radkuppe sitzt, dazu die aufsteigenden
menschlichen Gestalten und die abstürzenden Verdammten. Damit ist zum
apokalyptischen Bilderkreis vermittelt, der bes. an West-Fassaden auszeichnend hervorgehoben worden ist als Teil des Gesamtprogrammes, das in die Stadt hineinwirkt.
Andere Fensterrosen akzentuieren die kosmologische Dimension, u.a. mit den Weltallsphären.
Besonders ausgeprägt ist der kosmologische Bilderkreis an der Rose der Kathedrale von Lausanne. Die
kosmologische Sonnenvorstellung kann auf die Vorstellung der Kathedrale als »himmlische Stadt« bezogen sein. Sie wird unterstrichen u.a. dort, wo Christus als »lux mundi« und »lumen vitae« erscheint.
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